Archive for September, 2008

Protected: Kapitel 15 – Archivarbeiten in Hollywood

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Protected: Kapitel 14 – Viktorianische Höhen und Temperaturpeaks

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Protected: Kapitel 13 – “Hypallage” und Hongkong

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Protected: Kapitel 12 – Shenzhen und Happy End mit bayrischem Bier

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Protected: Kapitel 11 – Hangzhouer Akademie, Westsee und Hühnerfüße

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Protected: Kapitel 10 – Zendai und Duolun: Shanghais private Kunstmuseen und zeitgenössische Soloshows

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Kapitel 9 – Shanghai Contemporary Art Fair zu Lande und zu Wasser

Wednesday, September 10th, 2008 | Allgemein | No Comments

Yang Fudong "East of Que Village" Ausschnitt, ShanghArt Galerie

Yang Fudong "East of Que Village" ShanghArt Galerie Ausschnitt aus Videoinstallation

Landschaftfotographie und Blütenfotoausschnitt in "Insomnia" BizArt-Space
Landschaftsfotographie und Blütenfotoausschnitt in “Insomnia”  BizArt-Space
Zhang Enli, gemalter Duschraum in ShanghArt Galerie
Zhang Enli, gemalter Duschraum in ShanghArt Galerie
Zhang Enli, gemalte Hausfassade in ShanghArt Galerie
Zhang Enli, gemalte Hausfassade in ShanghArt Galerie
Seifenblasen mit Chinakitschfiguren, "Chinadorm" Eastlink Gallery
Seifenblasen mit Chinakitschfiguren, “Chinadorm” Eastlink Gallery
Installation mit Goldfischen im untersten Ring, "Chinadorm" Eastlink Gallery
Installation mit Goldfischen im untersten Ring, Ausstellung “Chinadorm” Eastlink Gallery
Zhang Qing Ausschnitt aus seiner Videoinstallation mit WG-Fußball
Zhang Qing Ausschnitt aus seiner Videoinstallation mit WG-Fußball
Eingang zum russisch angehauchten Messegebäude
Eingang zum russisch angehauchten Messegebäude
Shanghai Contemporary Art Fair, Blick in die Ausstellungshalle
Shanghai Contemporary Art Fair, Blick in die Ausstellungshalle
Chinesische Kitschkunst in der Shanghai Messehalle für "besondere Entdeckungen"
Chinesische Kitschkunst in der Shanghai Messehalle für “besonder Entdeckungen”
Chinesische Version von "Eva und Adele" an einem Messestand mit Pappexponat
Chinesische Version von “Eva und Adele” an einem Messestand mit Pappe-Exponat
Galerist Schulz vor dem zensierten Maoporträt
Galerist Schulz vor dem zensierten Maoporträt
Messestand der Galerie Schulz (Berlin, Beijing, Seoul), ein "global Player"
Messestand der Galerie Schulz (Berlin, Beijing, Seoul), ein
Claire (ist Kuratorin in residence am in Shenzhen) und Marianne Brouwer (Kuratorin von "Another Long March" in Breda, NL)
Claire (ist Kuratorin in residence in Shenzhen) und Marianne Brouwer (Kuratorin von “Another Long March” in Breda, NL)
Künstlerbaby an Board (weiblich)
Künstlerbaby an Bord (weiblich)
Birgit an Bord
Birgit an Bord
Ausblick auf Nachbarboot auf dem Huangpu Fluss bei After-Opening-Party
Ausblick auf Nachbarboot auf dem Huangpu Fluss bei After-Opening-Party

9. September 2008

Diesen Vormittag habe ich wieder in der

Bildkörper Begenung auf der Shanghai Contemporary Art Fair

Bildkörper Begenung auf der Shanghai Contemporary Art Fair

Moganshan Lu zugebracht, wo ich auf Birgit und Sabine wartete, die dank eines befreundeten Hoteliers weiter weg in Pudong untergekommen sind. Inzwischen haben hier drei sehenswerte Ausstellungen eröffnet und ziehen einiges Biennale-Publikum an.

ShanghArt zeigt den weltweit für seine sehr ästhetischen schwarz-weiß gedrehten, zumeist lyrischen Kunstfilme bekannten Shanghaier Künstler Yang Fudong. Auf Videoinstallation mit sechs großen Leindwänden sieht man in seiner Arbeit „East of Que Village“ das sehr beschwerliche Überleben von wilden, reudigen und zumeist verletzten Hunden, die um ein nord-chinesisches Dorf herum leben.

Während sie verzweifelt weggeschmissene Kuhköpfe auf den Schädel hinunter abnagen, sieht man vermummte Dorfbewohner in der flachen, harschen Landschaft und von Staubwolken umfegt irgendeiner landwirtschaftlichen Arbeit nachgehen. Zwischendrin wird mit etwas Musik ein kleiner Umzug veranstaltet und einige Böller abgebrannt. Bis auf das traurige Jaulen der Hunde und das Topfgeklapper hört man in der ganzen, eher dokumentarisch distanzierten Arbeit kein gesprochenes Wort. Angeblich blickt Yang mit dieser Arbeit auf die kargen Jahre seiner Kindheit Anfang der 70er Jahre zurück.

Weniger bedrückend, aber auch von einer gewissen Poetik des Alltäglichen getragen zeigt ShanghArt dazu noch die Malerei von Zhang Enli, einem Künstler der zuvor eher grellere, aggressivere Gesellschaftsporträts (ein wenig wie Otto Dix) malte und jetzt zu bemerkenswert toniger Palette mit transparentem Farbauftrag gefunden hat. Damit inszeniert er banale Alltagsgegenstände wie Betten, eine Duschkabine, eine Häuserfront, den Deckel eines Lautsprechers oder Eimeransichten. Durch einen gekonnt leichten Duktus und interessante, meist unfertig wirkende Komposition gewinnt er diesen Dingen und Ansichten jedoch etwas ab, dass sie auf eine schlichte Art sehr attraktiv werden lässt. Es kommt mir vor, als würde er die Stille Seite des chinesischen Alltags beleuchten und gefällt mir daher außerordentlich gut.

Das alternative Kunst- und Projektzentrum „BizArt“ hat eine vielfältige Fotoausstellung zusammengestellt mit dem Titel „Insomnia“. Unter den durchweg professionell und ansprechend gemachten Arbeiten häufig jüngerer Künstler, gefallen mir nur ein paar wenige besonders gut. Unter anderem eine unaufgeregte Nebeneinanderstellung von einem Foto, auf dem eine dramatische Wolke über einer buschig schwarzen Hügelkrone festgehalten wurde und einem ganz kleinen Fotoausschnitt, der einen blühenden Obstbaum zeigt. Darin meine ich etwas von den Landschaftsgefühlen wiederzufinden, die in der traditionellen Tuschemalerei so wichtig ist.

Die Eastlink Gallery hat sich mit „Chinadorm“ nicht wirklich mit Ruhm bekleckert. Jedenfalls kommt diese Ausstellung wohl an Brisanz keinesfalls an den Skandalerfolg von „Fuck Off“ zur Shanghai Biennale 2000 heran. Auch wenn in einer Installation von einer Art überdimesnioniertem Kronleuchter lebendige Goldfische in kleinen Glasschüsseln nach Luft schnappen (Künstler: Lin Jing) und in einer Videoprojektion die Geschichte des Künstlers als bösem Schuljungen erzählt wird, der auf dem Gang in Papiertüten machte, statt auf die Stockwerkstoilette zu gehen (Künstler: Yao Zi).

Kurzweilig ist allerdings eine mehrteilige Bildschirminstallation von Zhang Qing, der von oben jeweils ein Zimmer einer ganz kleinen Studentenwohnung filmt, in der aber ein ausgewachsenes Fussballspiel mit jeweils 3 Spielern und einem Schiedsrichter ausgetragen wird. Im Verlauf wechseln die Spieler durch alle Zimmer und damit durch alle Bildschirme. Sie geben ihr bestes, ohne Rücksicht auf Mobiliar und personelle Verluste.

Nachmittags öffnet dann die Shanghai Contemporary Art Fair ihre Tore in einem im russischen sozialistischen Stil gebauten Messegebäude. Dank Sabine und Birgit gehe ich als VIP durch und staune nicht schlecht über die sehr großzügig angelegten Stände der weltweit eingeflogenen, teilweise sehr hochkarätigen Galerienprominenz. Dennoch wirkt es so, als haben gerade die international einschlägigen Galerienschwergewichte sich bei ihren chinesischen Vorzeigekünstlern nicht wirklich Mühe gegeben. Sie folgen ganz überwiegend den Kriterien „groß, gemalt, figürlich, bunt-poppig“. Man darf eben nicht vergessen, dass es hier ums Verkaufen geht und vielleicht auch schon ein bisschen um asiatische Kunden, die meist nicht wirklich an avantgardistisch-gewagter Installationskunst etc. Interessiert sind. Der Berliner Galerist Schulz stellt sich Brigit gegenüber als ganz zurfrieden mit dem Käuferpotenzial dar und nimmt es gelassen, dass eine riesige dreiteilige Leinwandmalerei mit Maos Konterfei auf der einen Seite, genau an dieser Stelle zensiert werden musste. Das Überkleben des Porträts, das nicht einmal sehr despektierlich gemalt scheint, sondern genauso unter dem bewusst verkleckert, bespritzten Gestus leidet, wie alle anderen Bildmotive auch, wirkt irgendwie skurril. Vermutlich wirkt es auf manche Kunden eher noch wie ein Beweis für die kritische Authentizität dieses Künstlers. Merkwürdig ist nur, dass im Jahr zuvor solche Bilder problemlos gezeigt werden konnten. Aber das könnte mit dem olympischen Reinheitszwang und der im Gegensatz zu Beijing angeblich besonders konservativen Haltung der Behörden zusammenhängen.

Im Vergleich zu Guangzhou, zur Shanghaier Biennale oder gar der Art Basel wirkt das Sammelsurium auf der Messe ziemlich flach und enttäuschend. Ich bin fast ein bisschen erleichtert, dass ich keinen Drang verspüre, noch mehr Zeit hiermit zu verbringen. Stattdessen plane ich die morgen lieber für zwei weitere Museen in der Stadt ein. Nützlich war der Besuch allemal, immerhin konnte ich Näheres über einen Film herausfinden, der während der „Fuck Off“ Ausstellung gedreht wurde. Zwar will mir dieses Dokument niemand geben (es gehört einem Künstler), aber es wird im nächsten März in England auf einer Ausstellung gezeigt. Damit gibt es immerhin die Chance, es einmal zu Gesicht zu bekommen.

Die Marktnähe der Messe hat natürlich auch Vorteile: Abends legt ein von der Beijinger Filiale der amerikanischen Galerie „Pace“ gechartertes Aussichtsboot vom Bund ab. Wir sind an Bord und genießen (neben einem ziemlich schlechten Buffet der Bootsküche) den unschlagbaren Nachtblick auf beide Uferseiten zwischen Bund und Pudong und auf die Kleidung der Kunstprominenz.

Während wir am zukünftigen Expo 2010 Gelände und seinen Baukränen vorbeigleiten, erklingt überraschend guter chinesischer Rock aus den Lautsprechern (der Sänger wird mir sogar durch die befreundete Sabine kurz persönlich vorgestellt) und Zheng Shengtian (ehemaliger Professor der Hangzhouer Akademie und Editor des kritischen Übersee Kunstmagazins „Yishu“) erzählt, dass er in seiner Shanghaier Kindheit noch Fähren besteigen musste um die damals total leere Sandbank Pudong und einen von dort aus mit dem Bus erreichbaren, etwas schäbigen Strand zu erreichen.

Er hat übrigens kurz zuvor in New York in den Asia Society Galleries eine Ausstellung zur chinesischen Kunst in den 50er bis 70er Jahren eröffnet. Obwohl die offiziellen Museen trotz intensiver Verhandlungen keine ihrer guten Stücke nach Amerika verleihen wollten, scheint die Ausstellung dennoch gut bestückt und ein voller Erfolg. Unter anderem ist eine rare Fieberglaskopie des „Rent Collection Courtyards“ von Künstlern der Sichuan-Akademie zu sehen – ein riesiges Skulpturenwerk im Sinne der antifeudalistischen Propaganda. Es soll im nächsten Jahr tatsächlich auf der Frankfurter Buchmesse zu sehen sein, nachdem in den 80er Jahren der schweizer Kurator Harald Szeemann noch vergeblich versuchte, diese vielteilige Figurengruppe nach Europa zu bekommen!

Nach einem letzten Glas Orangensaft auf der Dachterrasse des Museum of Contemporary Art (MOCA) im Volkspark mit Blick auf die beleuchtete futuristische Skyline hat dann auch dieser lange Tag einen Panoramaabschluss gefunden und das Hostelbett kam mir noch nie so bequem vor wie heute.

Kapitel 8 – “Translocalmotion”: von B wie Biennale über bewunderswert bis banal

Wednesday, September 10th, 2008 | Allgemein | No Comments

Installation mit Zuckersteinen und Grenzübergangfilmen Shanghai Biennale

Installation mit Zuckersteinen und Grenzübergangfilmen Shanghai Biennale

Videostill von Yong Ah-nam zum Thema Migration und globalen Nomadentum
Videostill von Yong Ah-nam zum Thema Migration und globalen Nomadentum
Dinosaurierzug von Yue Minjun einem chinesischen Starkünstler
Dinosaurierzug von Yue Minjun einem chinesischen Starkünstler
Translocalmotion etwas plump veranschaulicht im EG der Sh Biennale
Translocalmotion etwas plump veranschaulicht im EG der Sh Biennale
Wenn die Dinge genau danach aussehen, was sie sind: Sch...design
Wenn die Dinge genau danach aussehen, was sie sind: Sch…design
Abendhimmel Skyline Shanghai
Abendhimmel Skyline Shanghai

8. September 2008

Den heutigen Vormittag nutze ich, um allein ins „Shanghai Urban Planning Museum“ zu gehen. Es tut mir zwar ein bisschen leid, dass ich dass Kunstmuseum gegenüber, das Chinas wohl bekanntestes Museum für traditionelle Kunst ist, keines Besuchs würdige, aber dort war ich bei meinem letzten Besuch schon. Außerdem steht mir der Sinn weniger nach Bronzekesseln, antiken Keramiken und Kalligraphien als vielmehr nach Stadtentwicklung.

Wie sich dann herausstellt ist nur im Umgang auf dem 1. Stock etwas historisches Fotomaterial ausgestellt, das die Stadt aus dem Blick der ersten Kolonialherren und früher chinesischer Fotografen zeigt. Lustigerweise sind die Fotos so missverständlich untertitelt, dass der Eindruck entsteht man könne hier „Shanghai Soundso Tempel im Jahr 220 nach Christus“ etc. bestaunen! Tatsächlich haben die Chinesen mal ausnahmsweise nicht schon damals die Fotographie erfunden und die abgebildeten Gebäude mögen zwar älteren Ursprungs sein, haben aber vermutlich schon viele Totalrekonstruktionen erlebt.

Im nächsten Stockwerk ist dann ein raumfüllendes, begehbares Innenstadtmodell aufgebaut, das die chaotische Stadtplanung deutlich macht. Unzählige, recht phantasielose Wohnblocks wechseln sich mit Office-Towern und den Skylinern ab.

Der eigentliche Hauptteil des Museums beschäftigt sich dann ausschließlich mit der Expo 2010 „Better City, better Life“ und ihren Nebenwirkungen. Dabei ist die bunte, laut und verschieden beschallte Ausstellungsarchiketur weniger didaktisch als vielmehr eine großangelegte mediale Werbeveranstaltung, bei der kritische Töne völlig fehlen und der Inhalt bisweilen untergeht. Zunächst werden internationale Wettbewerbsmodelle für das Expogelände gezeigt, das einen kompletten Flussabschnitt auf beiden Seiten der Stadt umfasst. Nur ein paar Flussmeilen vom Bund entfernt wird so an der Erweiterung des Panoramas heftig gearbeitet.

Interessanterweise scheinen drei Bewerber (eine amerikanisch oder englische Firma, ein chinesischer Vorschlag und noch einen, an den ich mich nicht mehr erinnern kann) das Rennen gemacht und dann in einen alles vermischenden Endendwurf überführt worden zu sein. Das zeugt von der hiesigen typischen Pragmatik.

Der deutsche Beitrag war übrigens sehr quadratisch angelegt und einer der wenigen, die darauf verzichteten das Gelände mit weiteren künstlichen Kanälen zu umfassen und von oben gesehen in einer symbolischen Form (meistens ein Kreis) anzulegen.

Anscheinend stehen auch schon einige Pavillionarchitekturen und Signalgebäude fest. Unter anderem wird es eine ufoartige Expohalle in Flussnähe, einen total überdimensionierten roten „Pavillion“ in offener Holzbalken- bzw. traditioneller Torästhetik geben und sehr viele verschiedene durchgeknallte Länderpavillions.

Um die große Fläche zu bebauen, mussten sicher wieder Wohnsiedlungen abgerissen und sehr viel Boden umgepflügt werden. Davon sieht man aber in der Ausstellung nichts. Stattdessen wird diffus vom „grünen“, „environmental“ Schwerpunkt geredet. Jedenfalls ist klar, dass hier keine Zeit für postolympische Depression ist und die Planungen für das nächste Spektakel schon in vollem Gange.

Unter „Spektakel“ ließe sich vielleicht auch ganz gut die Einlassbeschränkungen am VIP-Tag der Shanghai Biennale mit dem Titel „Translocalmotion“ beschreiben. Birgit und Co. waren dank flinker Zungen und Presseausweis auch ohne Einladung hineingekommen. Ich wollte schon umkehren, als ich die tapfere Café-Bedienstete wahrnahm, die direkt neben dem Eingang dafür warb, dass trotz offiziell noch geschlossenem Museum natürlich das Restaurant im 5. Stock für alle geöffnet habe. Durch die clevere Behauptung, ich wolle nur ins Café, kam ich tatsächlich ganz problemlos durch die Kontrollen bis in den Lift und stieg dann unbeobachtet im 2. Stock gleich wieder aus: Schon war ich mitten drin im Getümmel, in dem – einmal dort – niemand mehr nach irgendeinem Nachweis fragte.

Im Vergleich mit Guangzhou kommt mir hier alles sehr viel gesetzter, geschleckter und etwas „brav“ vor. Auch wenn im 2. Stock zum Thema Migration und Grenzen sehr viele gute, internationale Arbeiten zu sehen sind, frage ich mich schon, ob das Thema selbst nicht auch schon oft kuratiert wurde und thematisch ein wenig zu eng gefasst ist. Auch wenn viele der Installationen und Videoprojektionen ästhetisch wie inhaltlich sehr aufwendig und überzeugend gemacht sind, handelt es sich überwiegend um bekannte Künstler und somit um eine „sichere Sache“. Gerade die Arbeiten der eingeladenen chinesischen Künstler tendieren dabei häufig mehr zu Oberflächlichkeit, schön anzuschauendem Großformat oder schon dagewesener, jetzt aber nochmal hochpolierterer Masche.

Im Gegensatz zu Guangzhou sind es daher hier eher nicht-chinesische Künstler, die mir positiv auffallen. Unter anderem eine Filminstallation von Farouki (Name sicher falsch geschrieben…), die das moderne Arbeitsleben thematisiert. Dann ein Raum, der verschiedene Frachthäfen und Schiffe sowie inländische Grenzen in Projektionen thematisiert und aus Zucker gepresste Backsteine in der Mitte zeigt (eine niederländische Kunstgruppe, glaube ich) und eine gefilmte Arbeit, die den Versuch der Überquerung einer russischen Grenze ohne Visum mit lauter absurden Begegenungen und Gesprächen wiedergibt.

Nach dem Besuch finde ich mich einmal mehr mit Birgit und Sabine zusammen in zwei weiteren kleinen Galerien am Bund wieder. Während die erste mit Michael Lin, eine ernstzunehmende und gut kuratierte zeitgenössische Position aus Taiwan zeigt, erfasst uns bei der letzten Galerie das Grauen über so viel schlechtes, neureiches „Design“. Die hier ausgestellten Möbel sind alle ganz haarscharf vorbei an der guten Idee und gelungenen Umsetzung und rauschen mit vollen Segeln in den Ausverkauf von guten Ansätzen und die Konjunktur des schlechten, kitschigen und unreflektierten Geschmacks.

Nur ein sehr leckeres Abendessen mit gefüllten Teigtaschen, die im Bambuskorb gedämpft wurden, konnte uns danach noch mit dem Biennalehype versöhnen.

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Kapitel 7 – Mit gewaltigem Schreck und Koffern davongekommen

Wednesday, September 10th, 2008 | Allgemein | No Comments

7. September 2008

Nach einem abschließenden morgendlichen Gang durch die Triennale, unbelastet vom Eröffnungsrummel, sind Sabine, Birgit und ich nach Shanghai zurückgeflogen. Hier wartet morgen die VIP-Eröffnung der Shanghai Biennale und damit der direkte Vergleich mit Guangzhou. Immerhin kommen mir die hiesigen Temperaturen um 26°C jetzt wirklich angenehm vor und ich habe fast schon das Gefühl, nach Hause zu kommen, als ich mir meinen Weg vom Hongqiao-Flughafen zurück zu Jianglings Wohnung suche.

Dort muss ich mein zurückgelassenes Gepäck abholen, um Platz zu machen für ihren Sohn und seine Freunde die wohl am selben Abend von der südchinesischen Insel Hainan zurückkehren werden.

Geübt im Umgang mit der U-Bahn entscheide ich mich, das „Mingtown Hiker Hostel“ in der Nähe des nördlichen Ende des Bunds so anzusteuern. Ich habe jedoch nicht damit gerechnet, dass der Aufzug an der Haltestelle nicht funktioniert und ich daher die beiden schweren Koffer ziemlich mühseelig hinunterwuchten muss. Sodann hat mich einer der Wachleute erspäht und lässt mich prompt beide Koffer zur Inspektion öffnen, bevor ich endlich durch die U-Bahn-Schranken darf. Beim Umsteigen frage ich schließlich, ob ich den Aufzug, der unpraktischerweise hinter der Ausgangsschranke liegt, benutzen könne und warte mehr als 10 Minuten, bis schließlich der Aufzugsschlüssel und eine Aufzugsbegleitung organisiert wurde. Aber es klappt und erspart weiter Schwielen.

Ziemlich müde wähne ich mich nur noch eine Haltestelle von meine Ziel entfernt, als plötzlich ein junger Mann aufspringt und seinem Sitznachbarn mit voller Wucht die Stirn gegen den Kopf haut. Dann packt er ihn und beginnt ihn zu schlagen, gegen die Sitze und durch den Wagon zu prügeln. Der Angegriffene, von dem mir nicht ersichtlich ist, was er getan hat, um so eine Reaktion auszulösen, wehrt sich natürlich, zieht dem Angreifer am T-Shirt und ringt mit ihm. Tumultartig drängen alle anderen Passagiere jeweils auf die Wagenseite, wo sie am weitesten von dem Kampf entfernt sind und ich mit den sperrigen Koffern mitten drin!

Bis auf eine junge Frau, die zweimal versucht einzugreifen und um Hilfe ruft, wobei sie auch fast umgeworfen wird, scheinen alle eher bemüht, das Geschehen zu ignorieren. Ein dritter Mann kommt hinzu und tritt auf das mittlerweile am Boden liegende Opfer noch weiter ein und brüllt für mich Unverständliches. Ich kann gerade noch meinen kleineren Koffer unter den Kämpfenden befreien und hilflos zusehen, wie der Angreifer den Kopf des Mannes schwungvoll gegen die Wand knallt, als schließlich die Haltestelle erreicht ist und alle fluchtartig das Abteil verlassen.

Nach dieser Episode ist mir zunächst nicht mehr so nach U-Bahn fahren zu Mute. Mein Bild vom ziemlich sicheren China hat jedenfalls einen Sprung bekommen und ich bin total erleichtert, als ich endlich in einer eher schmutzigen und für Nebenstraßen hier typisch schlecht beleuchteten Gasse das Hostel finde.

Es ist voll mit Amerikanern, Niederländern, Deutschen und sogar Spaniern und entsprechend hört man bis spät in die Nacht Gespräche, Gesinge und Gerufe in den Nachbarzimmern.

Da es mit 6 Euro pro Nacht und einem ansehlichem Frühstück für 1,80 sowie sauberen Viererzimmern jedoch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis hat, fällt die Ankunft in den Niederungen des Travellerlebens nicht allzu schwer.

Kapitel 6 – Abschied vom Postkolonialismus, Triennale im Aufbruch

Wednesday, September 10th, 2008 | Allgemein | No Comments

Sabine und Birgit in Frühstückslaune auf Shamian

Sabine und Birgit in Frühstückslaune auf Shamian

Unverkäufliches Kleinkind auf Ladentisch in Guangzhou
Unverkäufliches Kleinkind auf Ladentisch in Guangzhou
3. Guangzhou Triennale Pressekonferenz im Time-Museum
3. Guangzhou Triennale Pressekonferenz im Time-MuseumUnverkäufliches Kind auf Ladentisch in Guangzhou
Lautsprecher und Trommel-Installation des Künstlerprojekts "New in coming", bei dem auch ein dtsch. Künstler nach Qinghai ging, um vor Ort zu arbeiten
Lautsprecher und Trommel-Installation des Künstlerprojekts “New in coming” das Künstler nach Qinghai (westl. Minderheiten-Region in China) brachte
"Time Museum", 19. Stockwerk, RundfensterSchlechtes Architekturdetail im "Time Museum", dem 2. Triennale Ort, verbessert durch Birgit
Oben gutes, unten schlechtes Architekturdetail im Time-Museum, verbessert durch Birgit, zweiter Triennale- Ausstellungsort
Eingangsinstallation im Guangdong Museum mit Museumswärter davor
Eingangsinstallation im Guangdong Museum mit Museumswärter davor
Treppenkunst auf der Triennale mit Text aus einer Rede aus einer Weltreligionenkonferenz
Treppenkunst auf der Triennale mit Text aus einer Rede aus einer Weltreligionenkonferenz
Flügel des "Sozialismus-Altars" im Eingangsbereich des Triennalemuseums
Flügel des “Sozialismus-Altars” im Triennalemuseum von chinesischem Künstler
Jankowskis Triennale-Beitrag, Copy-Maler malen ihre Kopien wie sie im chinesischen Kopienmuseum hängen
Jankowskis Triennale-Beitrag, Copy-Maler malen ihre Kopien wie sie im chinesischen Kopienmuseum hängen

6. September 2008

„Farewell to Post-Colonialism“ ist das ehrgeizige Motto der 3. Guangzhou Triennale, die mit einem chinesischen (Gao Shiming) und einem indischen (Sarat Maharaj) Kurator ziemlich global aufgestellt wurde und an zwei Orten stattfindet. Im „Time Museum“ sehr weit außerhalb des Stadtzentrums fand die eröffnende Pressekonferenz statt. Ins 14. und 19. Stockwerk einer großen Hochhauswohnanlage integriert, wurden diese Ausstellungsflächen schon vor drei Jahren als eine ständige, lokale Filiale der Triennale vorgestellt, die von Rem Koolhaas, einem der angesagtesten Architekten weltweit, ausgebaut werden sollte.

Das ganze stellt eine typisch chinesische Kooperation zwischen den Immobilieninvestoren und den Kunstorganisatoren dar. Nur leider waren diese Investoren von Rems Idee, das Museum statt in den umliegenden Garten, direkt in zwei der Stockwerke und damit die Wohnanlage hinein zu planen, nicht wirklich überzeugt. Diese Skeptik scheint sich in einer dreijährigen Untätigkeit seitens der Bauherren zu äußern, so dass Biennalebesucher, die das letzte Mal da waren und die improvisierte Anlage betraten, sich komplett in jene Zeit zurückversetzt fühlen.

Die meisten Arbeiten wurde noch gehängt, die Wandfarbe und Geländerlacke waren noch nicht trocken und das Ganze sah nach einer totalen Baustelle aus. Entsprechend unzufrieden sind einige der Künstler mit den Räumen. Unter anderem hat das Goetheinstitut einige Künstler nach Qinghai (in die typischen tibetischen Minderheit- Provinz) geschickt, um ihre Ergebniss dann anschließend hier zu präsentieren. Viele der Fotoarbeiten wirkten jedoch eher wie eine Porträtserie von Leuten und Landschaft, die fürs “National Geographic” denn für eine Triennale gemacht wurden und kritische Reflexionen fehlten völlig.

Einzig eine große Videoprojektion des chinesischen Künstlers (Name wird nachgetragen ….Jianwei) hat mich sehr beeindruckt: In einer Art Bühnenlandschaft, die an China in den 60er Jahren erinnert, arbeiten, schlafen, essen und versammeln sich viele Menschen in Arbeiterkleidung und agieren in einer Mischung aus Performance und Theaterstück. Die ganze Atmosphäre ist sehr gedrückt, grau und geregelt, es kommt zu Totschlag von einigen offensichtlich unerwünschten „Elementen“, am Schluss gibt es ein Erdbeben, das die Fabrikanlage zusammenstürzen lässt und an die historische Katastrophe erinnert, von der behauptet wird, sie hätte Maos Tod angekündigt. Geräusche und ruhige Kamerafahrten geben dem Werk einen sogartigen Rhythmus.

Die Toleranz des Triennale-Publikums wurde im Time Museum nicht nur durch wenig interessante Werke und den Baustellenzustand auf die Probe gestellt. Da es nur einen einzigen Aufzug und keinen Treppenaufgang gab, mussten die Massen zum Teil eine Stunde wie die Ölsardienen im 14. Stock warten, bevor sie endlich ihren Lift bekamen. Das aus der steigenden Aggression keine Panik wurde und dies sicherheitstechnisch überhaupt erlaubt wurde, ist mir ein Rätsel. Der Treppenabgang war bewusst versperrt worden, um das Kunstpublikum von den normalen Anwohnern getrennt zu halten – Rems Integrationsmodell scheint hier nicht aufgegangen. Übrigens berichtete Brigit, dass vor drei Jahren gleich neben der Pressekonferenz die neuen Wohnanlagen mit einer zeitgleichen Show und dem Slogan vermarktet wurden, man könne hier mit der Kunstszene auf Tuchfühlung gehen…

Mit einem Triennale-Shuttlebus gings schließlich zum „Guangdong Museum of Art“, das auf einer zentralen Insel des Pearlrivers liegt und der zentrale Ort der Ausstellung ist. Birgit und ich waren nur allzu froh, dem Kühltruhengebläse des Busses entkommen zu sein, gegen dessen Folgeerscheinungen wir abends dann heiße Cola mit ganz viel Ingwerstängeln trinken mussten. Das Museum lässt tatsächlich Triennale Stimmung aufkommen und das umso mehr, als es das erste und einzige offizielle Museum Chinas für zeitgenössische Kunst ist, dass sich die Förderung zeitgenössischer Kunst seit 1997 (2002 1. Triennale) auf die Fahnen geschrieben hat.

Die runde Eingangshalle wird vollständig von einem kakifarbenem Zelt in Form einer römischen Kathedrale mit Kuppel (entfernt an den Petersdom erinnernd) eingenommen. Darin findet sich eine zentrale „Altaranlage“, die auf einem hölzernen Flügelretabel in sozialistischem Realismus den Sozialismus verklärt. Davor gibt es eine Art Metallbecken, auf dass ebenfalls sozialistische Architektur und Propagandabilder mit entsprechender Beschallung projeziert werden. Diese interessant ironische und recht bunte Installation von (Name wird nachgetragen) bleibt übrigens eine der wenigen, die sich auf die chinesische politisch-ideologische Ikonographie bezieht.

Dahinter grüßt eine konzeptuelle Arbeit von Christian Jankowski, der in dem berüchtigten chinesischen Malereikopierdorf (Name vergessen) die sehr jungen Kopisten von Werken der westlichen Renaissance bis klassischen Moderne bat, ihre Arbeiten in dem noch nicht ganz fertiggestellten Kopienmuseum zu hängen und das Ganze nochmals abzumalen. Ironischerweise erinnerten mich die Schinken mit ihrer geschickten Reflexion auf den (unfertigen oder Instant-) Ausstellungsraum an die vorher im Time Museum vorgefundenen Umstände.

Eine weitere Installation von (?) blieb mir in Erinnerung: Hinter einer Ballustrade auf dem breiten Treppenabsatz waren zwei Leute damit beschäftigt aus allen möglichen Actionfilmen Momente von gewalttätigem Sterben auszusuchen, dann auszudrucken und an mehreren Wäscheleinen wie in einem Fotolabor oder Pressebüro aufzuhängen.

Ob mit solcherlei Werken tatsächlich der verdienstvolle, aber eben bereits übersättigte Postkolonialismus- Diskurs verabschiedet wird, bleibt abzuwarten. Es scheint jedoch so, als könnte Maharaj mit seiner Behauptung recht behalten, dass gerade Guangzhou (eben nicht London oder Neu-Delhi) ein guter, etwas periphärer, aber sehr dynamischer Ort ist, der deutlich werden lässt, dass gerade chinesische Künstler ohnehin mit anderen, lokalen Diskursen und der Suche nach neuen Strategien beschäftigt sind.

Die Kuratoren haben zum Glück überwiegend die modische grelle, pop-artige und schillernde Malereiwelle Chinas ausgespart. Besonders stark kamen mir daher chinesische Künstler wie … vor, die in anspruchsvollen und mit subtil individueller Bildsprache angereichterten Video(-Installationen) eigenen Themen nachspüren.

Sehr angesprochen hat mich die Arbeit „…(Titel wird nachgetragen)von Qiu Anxiong, der in einer Tusche gezeichneten Animation und einem Tusche gezeichneten Buch den chinesischen Klassiker „Reise zu (Name wird nachgetragen)

Österreichischer Beitrag von "feld 72" thematisieren Kunst und (öffentlichen) Raum; Guangzhou Triennale

Österreichischer Beitrag von "feld 72" thematisiert Kunst und (öffentlicher) Raum

“ aufnahm und mit merkwürdigsten, feinen Phantasiekreaturen verbildlichte.

Natürlich gab es auch weniger Ansprechendes oder Werke von „big names“, die offensichtlich im Triennaleformat angelegt sind, insgesamt scheint diese Triennale jedoch relativ experimentierfreudig und offen.

Andreas Schmid, ein Alumni der Stuttgarter Aka, der in den 80ern schon ein Kunststudium in Hangzhou wagte und Ko-Kurator der „China Avantgarde“- Ausstellung 1993 in Berlin war, hat mit anderen Künstlern im Guangdong Museum das Projekt „Dreams of Art Spaces Collected“ (www.igbk.de) präsentiert. Es handelt sich um den wegweisenden Versuch, alternative Kunsträume/-institutionen rund um den Globus virtuell, aber auch durch Austauschprojekte zu vernetzen.

Mit einem insgesamt ganz positiven Fazit und voller Anregungen haben wir uns mit zahlreichen, überwiegend asiatischen Besuchern schließlich auf den Heimweg gemacht und der beschwerlichen Aufgabe gestellt, bildgesättigt und mit Wunden Füßen, den anderen das rare Taxi wegzuschnappen.

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